Kann eine Studie unser bisheriges Wissen auf den Kopf stellen? Ja, durchaus. Vor ein paar Monaten erst haben einige Forscher behauptet, dass die wichtigen ungesättigten Omega-3-Fettsäuren unwirksam wären. Das verwirrt erstmal: Omega-3-Fettsäuren sind doch gesund oder etwa nicht?
Was gibt es zur genannten Studie zu sagen: Es handelt sich um eine Meta-Studie, die die Wirkung von maritimen Omega-3-Fettsäuren als Nahrungsergänzung auf das Risiko von Herzerkrankungen untersuchte. Im Durchschnitt lag die Dauer der Durchführung bei über 4 Jahren und es haben insgesamt etwa 78.000 Teilnehmer daran teilgenommen, bei denen bereits ein hohes Risiko bestand, einen Herzinfarkt oder eine ähnliche Erkrankung zu erleiden.
Meta-Studie unter der Lupe
Um zu verstehen, ob die Studie tatsächlich zu dem Ergebnis gekommen ist, welches wir in den Schlagzeilen lesen, betrachtet man am besten die Details der Meta-Studie. Eine Meta-Studie (1) ist eine Zusammenfassung von mehreren Studien. Die Aussage ist: Omega-3-Fettsäuren sind unwirksam. Bei Herzerkrankungen. Von Risikopatienten. Im Durchschnittsalter von 64 Jahren. Die Wirkung von Omega‑3 wurde also bei älteren Menschen mit einem hohen Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall untersucht. Die Teilnehmer waren zum Zeitpunkt der Studie bereits gesundheitlich stark angeschlagen. Kann in diesem Fall eine Nahrungsergänzung eine Linderung oder gar Heilung bringen, ohne dass man etwas anderes für eine Prävention tut?
Langzeitauswirkungen bei Risikopatienten
Kommen wir zum Zeitraum der Durchführung. Im Durchschnitt wurden die Studien 4,4 Jahre lang durchgeführt. Generell eine sehr gute Zeitspanne. Mehr Details erfahren wir hier aber nicht. Was hat zur aktuellen gesundheitlichen Situation der Teilnehmer geführt? Haben die Teilnehmer ihren Lebensstil in diesen 4 Jahren geändert? Hatte das Auswirkungen auf das Ergebnis? Ist es überhaupt realistisch in nur 4 Jahren den Lebensstil der letzten Jahrzehnte nur mit Omega-3-Fettsäuren auszugleichen und das Risiko zu senken? Es gibt viele Faktoren, die das Leben der Teilnehmer und damit auch das Risiko für Herzerkrankungen hätten beeinflussen können, von denen wir jedoch in der Studie nichts erfahren.
Ein wichtiger Faktor ist beispielsweise: Wie viel Omega-3-Fettsäuren hast du bisher täglich im Lebensverlauf zu dir genommen? Und wie viele ungesättigte Fettsäuren sind in deinem Zustand nötig, um einen positiven Effekt zu erzielen? Während für gesunde Erwachsene eine Tagesdosis von 250 mg empfohlen wird, nehmen manche Menschen, wie z.B. Sportler, eine weitaus höhere Dosis von 2000–3000 mg oder sogar noch mehr pro Tag zu sich, um nicht nur mehr als die benötigte Dosis aufzunehmen, sondern auch um bestimmte Wirkungen zu erzielen. In der Meta-Studie wurden den Teilnehmern 1000 mg Fettsäuren verabreicht. Das ist um einiges weniger als gesunde Sportler für einen Erfolg zu sich nehmen. Ist es realistisch eine bestimmte Wirkung von 1000 mg Omega‑3 bei Risikopatienten zu erwarten?
Omega‑6 zu Omega‑3
Ein Aspekt, den Studien oft vernachlässigen, ist das Verhältnis von Omega-6-Fettsäuren zu Omega-3-Fettsäuren bei einem Menschen. Omega‑6 ist ebenfalls wichtig für unseren Körper, kann aber bei einer zu hohen Einnahme Entzündungen hervorrufen. Ein Verhältnis von 20 oder 30:1 ist heutzutage gängig und das zu unserem Leidwesen. In manchen Ländern, wo viel Fleisch und Getreideprodukte gegessen werden und weniger Wert auf Fisch gelegt wird, kann das Verhältnis sogar weitaus höher liegen. In solchen Fällen braucht es natürlich täglich viel mehr Omega‑3, um eine einigermaßen normale Balance wiederherzustellen. Wünschenswert ist ein Verhältnis von etwa 5:1.
Erst vor ein paar Wochen erschien eine weitere Studie (2) mit selbiger Thematik. Fast 26.000 Menschen ab 50 Jahren aus den USA haben über 5 Jahre jeden Tag 1000 mg Omega-3-Fettsäuren bekommen. Im führenden Medizin-Magazin „The New England Journal of Medicine“ wurden die Ergebnisse veröffentlicht. Mit ähnlichem Ausgang: keine signifikante Veränderung in Bezug auf das Risiko bei Herzerkrankungen. Auch hier geht man nicht auf die Details ein.
Soll ein Nährstoff heilen?
Es stellt sich also generell die Frage: Was erwarten wir von einem Nährstoff? Was erwarten wir von einem Vitamin oder Mineral? Erwarten wir, dass sie unsere Krankheiten heilen? Oder dass sie „nur“ unsere Gesundheit oder – nehmen wir mal an – Genesung unterstützen? Nicht umsonst spricht man hier von einer Nahrungsergänzung! Eine Einnahme von Omega-3-Fettsäuren sollte ein Leben lang erfolgen. Nur durch eine ausreichende und ausgewogene Versorgung mit allen nötigen Nährstoffen können wir unsere Gesundheit langfristig erhalten – in manchen Fällen gehört dazu eben auch eine Nahrungsergänzung.
Omega‑3 bleibt dennoch essentiell für uns
Sollten wir also auf Omega‑3 und Fischöl verzichten? Die Antwort ist nein. Schließlich sind die ungesättigten Fettsäuren immer noch essentiell für unseren Körper. Mag sein, dass Omega-3-Fettsäuren keinen Schlaganfall bei Risikopatienten verhindern können. Genau so wenig kann Vitamin C eine Lungenentzündung heilen. Unsere Gesundheit und auch die normale Herzfunktion können Omega-3-Fettsäuren dennoch unterstützen, deshalb bleiben sie auch weiterhin ein wichtiger Nährstoff in unserem Leben, auf den wir nicht verzichten sollten. Um solche gravierenden Erkrankungen, wie einen Schlaganfall oder Herzinfarkt vorzubeugen, braucht es sicherlich mehr als nur Omega‑3 einzunehmen. Man sollte auf seine Ernährung achten und generell seinen Lebensstil überdenken. Omega‑3 begleitet uns dann auf diesem Weg und unterstützt die Herzgesundheit ergänzend.
Quellen
- https://jamanetwork.com/journals/jamacardiology/fullarticle/2670752
- https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1811403
- Algenöl — vegane Omega-3-Fettsäuren für dein Kind — 30. September 2021
- Omega‑3 Fettsäuren für ein bärenstarkes Immunsystem? — 28. September 2021
- Diese 7 starken Lebensmittel machen ein starkes Kinder-Immunsystem — 14. Mai 2021